Nachhaltige Oasen
Inmitten des dichten Kreis 4 in Zürich wurden zwei Innenhöfe der GBMZ einer bemerkenswerten Verwandlung unterzogen. Einst unscheinbar und wenig einladend, präsentieren sich die Höfe «Zypressen» und schon bald auch «Feld» als grüne Oasen, die nicht nur das Mikroklima verbessern, sondern auch reichhaltige Lebensräume für Flora und Fauna schaffen.
Elena Lischka
April 2024
Grüne Oasen in der steinernen Stadt
Eine Aufgabe, die schöner nicht sein konnte! Mitten in Zürich, im dichten Kreis 4, wurden zwei Innenhöfe der GBMZ unter die Lupe genommen. Zwei Freiräume mit ganz eigener Geschichte und doch hatten sie eines gemeinsam: Sie waren nicht einladend für die Bewohnenden, sie schafften kein angenehmes Mikroklima in heissen Zeiten, sie waren arm an Lebensräumen für Tiere und Pflanzen. Beide hatten aber viel Luft nach oben. Die nachhaltige Umwandlung zur anregenden grünen Oase, zur natürlichen Klimaanlage der Siedlung und zum Biodiversitätsgenerator war deshalb das Ziel.
Der Eintritt in den halb gefassten Innenhof der Siedlung Zypressen hält einen Aha-Moment bereit. Direkt neben der vielbefahrenen Hohlstrasse öffnet sich ein überraschend geborgener, aber heute noch monotoner Freiraum. Dabei präsentierte sich das zentrale Gemeinschaftshaus als idealer Ausgangspunkt für ein Gewebe aus Erschliessung, Stadtgarten, Schwammstadt und Biodiversitätsinsel.
Urban Gardening im Innenhof Zypressen
Auf dem Weg dorthin mussten zuerst grossflächige, halbdurchlässige Beläge und in die Jahre gekommene Spielgeräte weichen. Vor allem musste der Hof im Sinne eines Entwicklungsprozesses räumlich neu gedacht werden. Die bestehenden Bäume spielten eine Hauptrolle, als Schattendach im Sommer und auch als Lebensraum für die Fauna. Im Fokus stand aber deren Funktion als kühlende Wasserpumpe, denn der ganze Innenhof funktioniert wie ein Schwamm, der das Regenwasser aufsaugt und über die Vegetation während eines langen Zeitraums verdunstet. Der neue «Teppich» des Innenhofes musste deshalb sickerfähig sein mit reduzierten teilversiegelten Wegen, viel Blumenrasen, Staudenflächen, Sträuchern und Kletterpflanzen. Trotz beengter Platzverhältnisse konnten am Rand des Hofes störungsfreie, sich dynamisch entwickelnde Bereiche mit dem Schwerpunkt Biodiversität erstellt werden. Auf variierenden Bodenarten wurden mit einer Initialansaat, Strauchgruppen aus einheimischen Gehölzen und vereinzelten Totholzstrukturen kleine Refugien geschaffen, in denen sandnistende Wildbienen, Schmetterlinge und Vögel wie zum Beispiel die Mönchsgrasmücke Nahrung und Rückzugsorte vorfinden. Es ist zwar nur ein kleiner grüner Fleck in der Stadt. Es ist aber ein nicht minder wichtiger Trittstein im grossen Gefüge des Zürcher Biodiversitätsnetzes.
Während in der Siedlung Zypressen die Idee einer Evolution der Freiräume verfolgt wurde, wurden in der Siedlung Feld die Zeiger auf null gestellt und der Innenhof komplett neu konzipiert. Deshalb wurden alle Pflanzflächen und die Belagsflächen rückgebaut, die befallenen Platanen gerodet und der Hof (bis auf wenige Elemente) leergeräumt.
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Die Hofmitte wird grün, gemütlich, bewegungsfördernd und vielfältig nutzbar gestaltet. Der Hofrand erschliesst die Kellereingänge und beherbergt Veloabstellplätze und Container. Auch in der Siedlung Feld stehen Kreisläufe weit oben auf der Agenda: Von Bewohnern selbst gepflanzte Apfelbäume und pittoresk gewachsene mehrstämmige Zierkirschen werden sorgfältig ausgegraben und später an neuer Stelle im Hof verpflanzt. Die bestehenden gut erhaltenen Pflastersteine werden ebenfalls vor Ort deponiert und als offener, unverfugter Belag wiederverwendet. Überschüssiges Material aus den Bodenarbeiten in der Geländemodellierung des Spiel- und Bewegungsbereichs verwendet. Der Kies unter den heutigen Belagsflächen wird so weit wie möglich als neue Fundation belassen und nur in der Höhe angepasst. In Bezug auf Wasserkreisläufe wurde der Umgang mit dem Regenwasser neu gedacht. Die Fläche wird nahezu vollständig entsiegelt und maximal begrünt. Der Bodenkörper wird durch den Einsatz massgeschneiderter Materialmischungen mit grosser Schwammwirkung auf Wasserrückhalt getrimmt, Baumgruben grosszügig dimensioniert und zusammengehängt und die Gefälle zur Hofmitte hin gedreht. Die Wirkung: das Regenwasser landet nicht mehr in der Kanalisation, sondern kommt zu 100% dem Bodenleben, den Stauden und den Gehölzen zugute und bringt letztendlich eine spürbare Kühlung.
Der Fokus bei der Bepflanzung zielt auf eine breite Artenpalette von Gehölzen und Stauden. Statt monotoner Flächenbegrünung wird Wert auf Vielfalt in Mischpflanzungen gelegt. Einheimische, standortgerechte Gehölze schaffen mit ihrem diversen Angebot an Blüten und Früchten einen Mehrwert. Der Grauschnäpper wie auch die Mönchsgrasmücke finden hier einen geeigneten Nahrungs- und Brutort. Die dichte Staudenbepflanzung bekommt durch Solitärsträucher und Biotopstrukturen Rhythmus und Präsenz. In den kiesigen, sandigen Strukturen kann der Hirschkäfer angetroffen werden. Die grossflächigen Ansaaten im Hof werden in den Jahren zum Spiegel der Nutzung werden, indem intensiv begangene Flächen sich mineralisch entwickeln, moderat bespielte Flächen sich zu vielfältige Blumenwiesenflächen entfalten und in den Staudenflächen schon mal ein Rosmarin oder Thymian für die Bewohnerküche zu finden ist. Der ganze Hof wird zu einem bunten Potpourri aus Lebensräumen und Lieblingsplätzen für Mensch, Tier und Pflanze.
Zu Beginn des Umgestaltungsprozesses der beiden Höfe «Zypressen» und «Feld» waren die Ausgangslagen sehr unterschiedlich. Während beim Hof «Zypressen» ein Facelifting anstand, sollte der Hof «Feld» ganz neu gemacht werden. Wie sich zeigte, waren die Fragestellungen und damit die Ziele am Ende aber gleich: Mit kleinen grünen Oasen wird ein Kontrapunkt zur Dichte, Hitze und Verarmung der Natur in der Stadt gesetzt. Als Bausteine des grossen Ganzen leisten sie einen wichtigen Beitrag zu einem lebenswerten Stadtgewebe. Für die Bewohnenden der Siedlungen, ihren Gästen und Nachbarn entsteht vor allem eins: Lebensqualität.
Im Erdgeschoss wird gewohnt, in Wohnungen mit privaten Gärten gegen den durchgrünten Hof und mit direktem Zugang aus dem öffentlichen Raum entlang der Ernastrasse und der Stüdligasse. An der Hohlstrasse werden Wohnungen mit Gewerbe- bzw. Dienstleistungsflächen mit tendenziell eher informellen Wohnungstypen für Wohnen und Arbeiten kombiniert, auch hier wird zur Stüdligasse hin gewohnt. Der Entscheid, das Erdgeschoss hauptsächlich als Wohngeschoss auszubilden, hängt mit der Idee der Wohngasse «Stüdli» und dem bereits existierenden Wohnen entlang der Ernastrasse zusammen. Für das Wohnen auf Stadtebene spielt die Wohntypologie eine entscheidende Rolle. Die kollektiven Bereiche des Wohnens, wie Kochen und Essen, sind dem öffentlichen Raum zugewandt, die privaten Räume, wie die Wohn- und die Schlafzimmer, grenzen an den ruhigen Gartenhof, wo sie auch vom siedlungsinternen, für alle Bewohner nutzbaren Bereich getrennt werden können.